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Person im weißen Kittel im Labor mit Reagenzgläsern.

Neues und altes Wissen durch Chemie vereint


Autor*in: Stephan Kreher

Ob in der Technik oder in der Medizin: Der Blick in die Natur, um neue Technologien voranzubringen, ist ein fester Bestandteil der wissenschaftlichen Forschung. Um die medizinische Versorgung in Entwicklungsländern zu verbessern, macht Vanessa Charnele Tsafack von der Universität Dschang genau das. Die Chemikerin und Doktorandin erforscht mit ihrem Team an der Universität Bielefeld die antimikrobiellen Eigenschaften von Pflanzen aus dem westafrikanischen Kamerun – ermöglicht durch die YaBiNaPa Graduate School.

“Ich bin im ländlichen Westkamerun aufgewachsen, wo Malaria, Infektionen der unteren Atemwege und sogar Tuberkulose immer noch häufige Krankheiten sind. Ich wollte einen Beitrag zur Lösung der Probleme leisten, die durch Infektionskrankheiten verursacht werden, und absolvierte mein Bachelor- und Masterstudium in Chemie an der Universität Dschang in Kamerun. Die Universität hat ihre Wurzeln in den landwirtschaftlichen Ausbildungsstätten der Stadt, die übrigens ihrerseits auf die deutsche Kolonialherrschaft in der Region zurückgehen. Weltweit, vor allem aber in den Entwicklungsländern, leiden viele Menschen an Infektionskrankheiten, was wiederum die wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder behindert. Trotz der Entwicklung neuer synthetischer Medikamente beobachten wir jedoch immer wieder Resistenzen, die von bestehenden Erregerstämmen gebildet werden. Und die können jeden treffen, wie die momentane globale Gesundheitskrise in beispiellosem Ausmaß zeigt. Es gibt immer noch kein Heilmittel für Covid-19, was die Grenzen unseres Gesundheitssystems aufzeigt und die Notwendigkeit, neue therapeutische Mittel zu finden, verdeutlicht. Hier sind natürliche Stoffe eine vielversprechende Quelle für neue Medikamente.

Person im Portrait
Die Chemikerin und Doktorandin Vanessa Charnele Tsafack, erforscht mit ihrem Team an der Universität Bielefeld die antimikrobiellen Eigenschaften von Pflanzen aus dem westafrikanischen Kamerun – ermöglicht durch die YaBiNaPa Graduate School.

Ich interessiere mich besonders für die antibakteriellen Eigenschaften von Pflanzen, die zur Behandlung von Infektionskrankheiten wie Cholera, Lungenentzündungen und Tuberkulose eingesetzt werden. Bei der Forschung für mein Promotionsprojekt versuche ich, altes Wissen, das seit Tausenden von Jahren bekannt ist, mit den Möglichkeiten der modernen Technologie zu verbinden. Pflanzen wie Bridelia micrantha werden seit Jahrtausenden zur Behandlung dieser Krankheiten eingesetzt. Dadurch hat meine Forschung eine ethnobotanische Dimension, da ich die Pflanzen zunächst auf der Grundlage ihrer historischen Verwendung auswählen muss. Danach muss ich herausfinden, welche Substanz für die antibakteriellen Eigenschaften der Pflanzen verantwortlich ist.

Hier im Labor der Universität Bielefeld verwenden wir Techniken aus der Chemie, um verschiedene Substanzverbindungen aus den Pflanzen Bridelia micrantha und Bersana abyssinica zu isolieren und zu charakterisieren. Beides sind Bäume, die in Afrika südlich der Sahara beheimatet sind. Nach der Extraktion des gesammelten Pflanzenmaterials wenden wir chromatographische Techniken zur Isolierung an. Die Chromatographie ist eine Trenntechnik, die auf der Affinität verschiedener Substanzen beruht, auf einer Oberfläche zurückgehalten zu werden. In einer “mobilen Phase” werden die Extrakte gelöst, bevor sie in einer “stationären Phase” in verschiedene Verbindungen getrennt werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich verschiedene Substanzen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten fortbewegen, vergleichbar mit verschiedenen Objekten, die auf einem Fluss schwimmen und sich je nach Größe und Dichte unterschiedlich schnell weitergetragen werden. Nach der Trennung testen wir die Verbindungen auf ihre antibakterielle Wirkung. Verschiedene Substanzen in diesen Pflanzen haben das Potenzial, verschiedene Krankheiten zu behandeln.

Ich bin zum ersten Mal in Deutschland, und natürlich liebe ich die Herausforderung, neue Erfahrungen zu machen. Dass ich diese Arbeit hier in Bielefeld mit meinen YaBiNaPa-Kolleg*innen machen kann, ist großartig. Wir haben zwar in Dschang und Yaoundé einige Geräte, aber hier gibt es einfach eine größere Ausstattung und der binationale Austausch zwischen dem kamerunischen Team und der Universität Bielefeld funktioniert gut. Alle sind sehr freundlich und kontaktfreudig. Im Vergleich zu den Städten in Kamerun ist Bielefeld natürlich sehr sauber und ruhig – das trägt wirklich zu meinem eigenen Wohlbefinden bei. Wenn sich eine weitere Gelegenheit ergibt, hierher zu kommen und meine Forschung fortzusetzen, werde ich sie sofort wahrnehmen. Nach meiner Promotion möchte ich weiter forschen, um die gesundheitlichen Probleme, die durch andere Bakterienstämme verursacht werden, mit pflanzlicher Medizin zu lösen. Es gibt noch viel zu tun.”

Aufgezeichnet von: Stephan Kreher


When people in Cameroon suffer from malaria and other parasitic infectious diseases, they often cannot afford treatment – the imported synthetic medicines cost a lot of money. The graduate school YaBiNaPA of Bielefeld University and the University Yaoundé I in Cameroon aims to remedy this. research_tv presents the project.

Wie lassen sich pflanzliche Wirkstoffe, die in der traditionellen, afrikanischen Medizin eingesetzt werden,
systematisch erforschen und somit nachhaltig nutzbar machen?
Dieser Frage widmet sich die deutsch-kamerunische Graduiertenschule YaBiNaPA.
Seit 2016 baut die Universität Bielefeld in der kamerunischen Hauptstadt Yaoundé die bilaterale Graduiertenschule gemeinsam mit einheimischen Wissenschaftlern auf. Partner ist die Universität Yaoundé 1, die mit über 60.000 Studierenden die größte Kameruns ist.

Das YaBiNaPA-Projekt bildet Doktoranden und Postdoktoranden aus Kamerun und weiteren afrikanischen Ländern aus; vor allem aus den Bereichen Chemie, Biologie und Pharmazeutik.
Koordiniert wird das Projekt von den Professoren Bruno Lenta und Norbert Sewald.
Beide sind sich einig, dass die Erforschung der traditionellen Pflanzenmedizin ein wichtiger Entwicklungsimpuls für die kamerunische Gesellschaft ist.
Die Lebensqualität ist eines der Ziele der Vereinten Nationen mit Blick auf nachhaltige Entwicklung.
Wenn Sie das Gesundheitssystem hier in Kamerun betrachten, werden Sie erkennen, dass in den Industrieländern produzierte synthetische Medikamente hier verfügbar sind, aber das nur zu einem internationalen Preis.
Ein großer Teil der kamerunischen Bevölkerung kann sich diese Medikamente nicht leisten,
und vertraut auf die traditionelle afrikanische Medizin, die sehr reich an pflanzenbasierter Medizin ist.

Um die Ausgangsstoffe für die Forschung an den traditionellen Medikamenten zu sammeln,
müssen die Doktoranden zunächst die Labore in der Hauptstadt verlassen und in den kamerunischen Wäldern die entsprechenden Pflanzen sammeln.
Ein erfahrener Ethnobotaniker führt die Wissenschaftler dort im dichten Unterholz zu den Fundstellen
und zeigt ihnen verschiedene Pflanzen, die von traditionellen Heilern ihren Patienten gegeben werden.
Wenn vielversprechende Funde gemacht werden, sammeln die Forscher Proben dieser Pflanzen ein, um sie dann später im Labor zu analysieren.
Für Prof. Lenta geht es bei YaBiNaPA aber nicht nur darum Wirkstoffe zu identifizieren und nutzbar zu machen, sondern auch um die Verbesserung der Doktorandenausbildung in der Hochschule.
Wir lernen sehr viel von Bielefeld, die sehr viel Erfahrung in der Ausbildung von Doktoranden hat.
Wenn wir den Methoden oder der Struktur der Bielefelder Ausbildung folgen, werden unsere Studierenden sehr kompetent sein. Denn wir bieten ihnen sehr viele praktische Qualifikationen an, die viel Zusatznutzen zu dem bringen, womit wir uns vorher befasst haben.
Wir haben sehr viele Schulungen, interessante Schulungen, und wir kopieren das Modell der Universität Bielefeld. Am Ende der Ausbildung wird jeder Student, wenn er den Methoden und dem Unterricht der Graduiertenschule folgt, fähig sein, ein Unternehmen zur Herstellung von pflanzlichen Medikamenten aufzubauen. Ich denke wir müssen der Universität Bielefeld danken für diese Art der Zusammenarbeit und die Unterstützung. Wir sind darüber sehr glücklich.

Ein Teil der Doktoranden hat auch die Möglichkeit zeitweise in Bielefeld zu arbeiten.
Dort können sie mit speziellen Geräten forschen, die derzeit in Yaoundé noch nicht zur Verfügung stehen.
Mit Hilfe dieser Technologie lässt sich die Molekülstruktur potentieller Wirkstoffe aufklären.
Es gibt viele Technologien und viele Instrumente, die in Deutschland, aber nicht in Kamerun verfügbar sind. Wenn die Studierenden aus Kamerun in Deutschland eintreffen, lernen sie viel und sie können ihr Wissen später anderen in Kamerun weitergeben. Die Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen in Bielefeld und Yaoundé ist für den Vizerektor der Universität Yaoundé 1 vorbildlich.
Für die Universität Yaoundé 1 ist es eine vorbildliche Kooperation, weil sie sowohl den Aspekt Personal als auch den Aspekt Ausstattung bedient. Personal-Aspekt, weil sie uns erlaubt, nach Deutschland zu reisen um unseren Kenntnisstand zu verbessern und weil sie deutschen Arbeitsgruppen ermöglicht, hierher zu kommen um unser Forschungsfeld besser zu verstehen.
Daher ist es eine Win-win-Situation. Außerdem beschaffen wir moderne Ausrüstungen, die natürlich sehr wichtig sind für zeitgemäße Forschung.
In beiden Dimensionen haben wir eine – wie ich es nennen möchte – horizontale Zusammenarbeit.
Und nicht eine vertikale Zusammenarbeit, die heute nicht mehr zeitgemäß ist.

Gefördert wird das YaBiNaPA Projekt durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Das Förderprogramm soll dabei helfen, die von den Vereinten Nationen definierten Nachhaltigen Entwicklungsziele zu erreichen.
Wir sind in der sehr guten Situation, dass der DAAD nicht nur Stipendien und Personen fördert, vielmehr können wir hier in Yaoundé eine umfangreiche Infrastruktur aufbauen.
Das ist für das Projekt sehr wichtig, weil es unsere Absicht ist, den Forschenden in Yaoundé, die äußerst kompetent und international angesehen sind, unabhängige Forschung zu ermöglichen. Dafür bauen wir die Infrastruktur auf.
Im Rahmen von YabiNaPa haben wir verschiedene hochmoderne Geräte für Yaoundé gekauft
und direkt nach Kamerun geschickt. Und eines dieser Geräte, das wir nutzen, ist das LC-MS.
Das ist ein spezielles Gerät, das bislang in Kamerun einmalig ist.
Und es wird benutzt, um die Verbindungen der pflanzlichen Extrakte in ihre einzelnen Komponenten zu separieren. Und mit diesem Gerät können wir identifizieren, welche Verbindung es ist und die Menge der einzelnen Verbindungen in einem Extrakt.
Damit können wir also standardisierte Extrakte mit einer definierten Qualität vorbereiten, sodass jedes Extrakt gleich ist.

Zur Untersuchung der gefährlichen Leishmaniose Erreger konnte ein besonders sicher ausgestattetes Labor eingerichtet werden.
Die Unterstützung ist großartig, wir haben moderne Geräte.
Wir bekamen einen Minus 80°C Kühlschrank. Wir haben Biosicherheitsschränke bekommen, Inkubatoren.
Das sind grundlegende Ausstattungen für Wirkstoff-Forschungen.
Einmal im Jahr treffen sich fast alle Projektbeteiligten in Yaoundé.
In Vorträgen und Diskussionsrunden tauschen sie sich über ihre neuen Erkenntnisse aus.
Wissenschaftler der Partnerunis aus Kamerun und weiteren afrikanischen Staaten nehmen auch an der Konferenz teil. Die Doktoranden präsentieren ihre Zwischenergebnisse vor dem Plenum und müssen sich teils kritischen Fragen stellen. Einzelne Heiler und Wissenschaftler zeigen auch pflanzliche Medikamente, die bereits in Kamerun genutzt werden.

Die Mitglieder des International Advisory Board geben im Rahmen des Meetings dem Projekt auch wichtige Impulse:
z.B. wie der Umgang mit den traditionellen Heilern gestaltet werden sollte.
Ich denke, es ist sehr wichtig, das Gefühl einer gleichberechtigten Partnerschaft zu vermitteln.
So bekommen die traditionellen Heiler das Gefühl, Teil eines Teams mit den Forschern zu sein.
Und wenn die Leute daran denken, wie sie selber gerne mit anderen Forschern zusammenarbeiten möchten, so sind das die gleichen Grundsätze, die in der Zusammenarbeit mit den traditionellen Heilern gelten sollten. Das bedeutet Datenaustausch, Transparenz. Es bedeutet, dass Ergebnisse den Heilern kommuniziert werden und die Entscheidungsfindung sollte so erfolgen, dass die Heiler auch Mitsprache haben. Ich denke, das ist wohl die wichtigste Sache.

Im Rahmen der jährlichen Konferenz treffen sich die YaBiNaPA Koordinatoren auch mit dem Rektorat der Universität in Yaoundé. 2019 ist die Bielefelder Prorektorin ebenfalls nach Kamerun gereist, denn für die Universität Bielefeld hat die Kooperation mit Yaoundé 1 einen hohen Stellenwert. Es ist definitiv unser wichtigstes Projekt auf dem afrikanischen Kontinent.
Wir haben viele verschiedene internationale Beziehungen zu Universitäten auf allen Kontinenten,
aber in Afrika ist das unsere stärkste Kooperation.
Das ist so, weil wir nicht nur enge Verbindungen über die Fakultät für Chemie haben, sondern auch über die Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft.
Und wir versuchen sogar, diese Beziehungen zu erweitern und andere Fakultäten einzubeziehen.
Wir sind sehr zufrieden, sodass wir versuchen eine engere Beziehung auf institutioneller Ebene zu erreichen.
Mein Besuch in der Universität Yaoundé war ein sehr wichtiger Schritt in diese Richtung.
Die Forschung im YaBiNaPA Netzwerk läuft nun auf Hochtouren, die Teilnehmer hoffen darauf, dass bald verwertbare Ergebnisse vorliegen und Heilstoffe entwickelt werden können. Langfristiges Ziel ist es ist ein afrikanisches Center of Excellence zu etablieren.
 

YaBiNaPa Graduate School

Die Yaoundé-Bielefeld Bilateral Graduate School “Natural Products with Antiparasite and Antibacterial Activity” (YaBiNaPa) wurde im Rahmen der Agenda 2030 der Vereinten Nationen ins Leben gerufen, um kamerunischen Forscher*innen auf Master-, Promotions- und Postdoc-Ebene Ausstattungen, Seminare und Forschungsaufenthalte in Deutschland zu ermöglichen. Der Schwerpunkt liegt auf der Phytomedizin (pflanzenbasierte Medizin) und der nachhaltigen Entwicklung in Kamerun, einschließlich der Verbesserung von Bildung und Lebensqualität. Die YaBiNaPa Graduate School wird vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert.