Lea Hildermeier spricht zu zwei Mitgliedern des LiLiGoesMental-Teams an einem Tisch in der Unihalle.

Mentale Gesundheit im Fokus


Autor*in: Elena Berz

Die Studierendenschaft ist keine homogene Masse. Die fast 25.000 Studierende an der Universität Bielefeld sind Individuen, jede*r einzelne mit eigener Geschichte, Wünschen, aber auch Problemen, Ängsten, vielleicht (psychischen) Erkrankungen. „Niemand lässt persönliche Probleme einfach zu Hause“, bekräftigt Lea Hildermeier. „Es ist wichtig, an der Uni ein Bewusstsein für mentale Gesundheit zu schaffen, denn Studierende sind mehr als Statisten, sie sollten sich hier wohlfühlen können.“ Deshalb hat Hildermeier vor vier Jahren mit anderen Studierenden der LiLi-Fakultät die Hochschulgruppe LiLiGoesMental gegründet. Nun ist sie für ihr ehrenamtliches Engagement für den Preis „Engagiert studiert“ des Ehemaligennetzwerks der Universität Bielefeld e.V. nominiert.

Ein Studium kann herausfordernd sein, nicht nur fachlich, sondern auch mental. Es gibt wahrscheinlich kaum Studierende, die noch nie mit Prüfungsangst, Stress oder Motivationsproblemen zu tun hatten. Trotzdem wird über Themen der mentalen Gesundheit oft nicht geredet. Häufig haften Selbstzweifeln, Depressionen oder Einsamkeit ein Stigma an, das einen offenen Austausch darüber verhindert. Das zu ändern, hat sich Lea Hildermeier vorgenommen. „Ich möchte destigmatisierende Arbeit leisten. Mein Ziel ist, dass die Menschen in der Uni offen über mentale Gesundheit sprechen können, dass ein Austausch entsteht. Denn dabei merken Betroffene meist, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind. Oder auch, dass die Professorin Verständnis dafür hat, dass ich die Hausarbeit gerade nicht schreiben kann, weil es mir nicht gut geht und mir eine Verlängerung gewährt.“

Engagiert Studiert: „LiLi Goes Mental“


Mentale Gesundheit ist das große Thema für Lea Hildermeier. Deshalb engagiert sie sich ehrenamtlich in der Hochschulgruppe LiliGoesMental. Für ihr Engagement ist Lea Hildermeier als Repräsentantin von LiLi Goes Mental für den neuen „Engagiert studiert“-Preis nominiert – eines von drei nominierten Engagements.


Unsere Hochschulgruppe, heißt: LiLiGoesMental. Der Name kommt daher, weil wir ursprünglich gegründet wurden von Studierenden der LiLi Fakultät. Was wir machen, ist, dass wir destigmatisierend arbeiten im Themenbereich mentale Gesundheit und das kann ja alles sein, das kann Prüfungsangst sein, das kann Stress sein, das kann auch klinische Krankheitsbilder wie Depressionen sein. Und oft ist es so, dass man sich damit alleine und denkt, es geht nur mir so schlecht. Und das macht oft schon viel aus, von jemand anders zu hören. Nee, nicht nur du, sondern mir geht es damit auch schlecht.

Und was wir da hauptsächlich machen, ist wir planen Events, zu denen wir Leute einladen. Studierende, Lehrende, alle möglichen, die gerne Lust haben, die dann eben berichten, zum Beispiel aus ihrem Alltag mit einer psychischen Erkrankung oder auch ob es nur Stress ist in Anführungsstrichen, um eben das Gefühl so ein bisschen zu schaffen. Wir sind da nicht mit alleine. Wir treffen uns regelmäßig und dann gehen wir in der Regel erstmal Emails durch und gucken, was ansteht.

Also am spannendsten ist halt immer so eine Veranstaltung zu planen. Sonst sehr viel sitzen, reden, überlegen, was kann man machen, wo kann man arbeiten? Wir sind bei Instagram tätig und dann überlegen wir, was könnten wir da für Aktionen starten? Das ganze Thema zu besprechen. Also besonders die Corona Pandemie hat meiner mentalen Gesundheit nicht gutgetan und ich habe mich
während dieser Zeit sehr alleine gefühlt und wusste einfach nicht, wo ich hingehen soll mit meinen Problemen und bin dann auf LiLiGoesMental aufmerksam geworden und dachte dann, dass das etwas ist,
was ich finde, was sinnvoll ist und wo ich gerne mitmachen möchte und mich engagieren möchte.

Ich glaube, Ehrenamt muss man möchten, man muss es wollen und man muss dafür bereit sein,
sehr viel Zeit zu investieren. Aber wenn man sich dafür entschieden hat, dann ist es glaube ich etwas, das einen unglaublich bereichert. Also ich habe unglaublich viele Kompetenzen dazu gelernt. Wie ist es, im Team zu arbeiten, in verschiedene Bereiche reinzuschauen? Wie plane ich eine Veranstaltung, wie spreche ich Leute an? Das sind so die beruflichen Kompetenzen, die man irgendwo dazu lernt und dann natürlich auf der persönlichen Ebene.

Es ist immer schön im Team zu arbeiten. Das LiLiGoesMental Team ist unglaublich
toll, das sind alles sehr nette Leute und das macht das Ganze dann umso schöner.

In ihrem Hauptfach Anglistik hatte die 25-Jährige, die im Nebenfach Psychologie studiert, in dieser Hinsicht selbst gute Erfahrungen gemacht: „Dort gab es zwei, drei Lehrende, die einen Austausch gepflegt haben, die nachgefragt haben, wie es uns geht, ob wir etwas auf dem Herzen haben.“ Hildermeier und einige Kommiliton*innen merkten, dass das im Uni-Alltag eher die Ausnahme denn die Regel ist und wollten diese positiven Erfahrungen gern weitergeben, sich für eine Gesprächskultur einsetzen, die das Verständnis füreinander und Hilfe untereinander fördert. Und weil es in der Uni noch keine Stelle gab, die sich dieser Aufgabe angenommen hatte, die Informationen zum Thema mentale Gesundheit bündelt und Veranstaltungen dazu anbietet, gründeten die Studierenden LiLiGoesMental.

In den vergangenen Jahren hat die Gruppe ihr Angebot Stück für Stück aufgebaut. Die Teammitglieder, die mittlerweile aus unterschiedlichen Fakultäten kommen, organisieren Veranstaltungen, zum Beispiel zum Thema Klimaangst. Bieten Workshops an, bei denen Studierende unter anderem etwas über Selbstfürsorge oder -organisation erfahren und Ressourcen und Tools wie Bullet Journals kennenlernen, die dabei helfen können, auf die mentale Gesundheit zu achten. Sie betreiben eine Internetseite samt Blog, für den jede*r aus dem Team Beiträge schreibt. „Das ist befreiend für einen selbst“, so Lea Hildermeier, „sich Themen, die einen belasten, von der Seele zu schreiben. Aber auch für Leser*innen können die Texte hilfreich sein, wenn sie merken, dass andere Menschen in einer ähnlichen Lage sind.“

Als während der Corona-Pandemie nur noch Digitallehre möglich war, hat nach Einschätzung von Lea Hildermeier die mentale Belastung unter den Studierenden zugenommen. „Viele hatten Schwierigkeiten, sich zu motivieren oder haben sogar das Studium abgebrochen. Ein Seminar auf Zoom ist viel anstrengender als in Präsenz und dann fiel auch noch der Austausch zwischen den Veranstaltungen weg. Dabei war der Bedarf, mit Leuten in Kontakt zu kommen, besonders groß, weil viele sich einsam gefühlt haben.“ LiLiGoesMental hat deshalb zwei Online-Formate initiiert: Bei LiLi Talks konnten sich die Teilnehmenden zu einem Oberthema wie Stress oder Homeoffice austauschen. Bei den Study Buddy Sessions ging es darum, das Bib-Gefühl wiederherzustellen. „Wir haben in Zoom unterschiedliche Räume eröffnet, wo sich die Leute zum Arbeiten treffen konnten. So war man beim Lernen nicht allein und konnte sehen, dass andere auch produktiv sind.“

Nach Rücksprache mit der Gruppe hat sich Hildermeier als Einzelperson für den Preis „Engagiert studiert“ beworben. „Zwar ist ein Großteil meines Engagements LiLiGoesMental – und ich habe bei der Bewerbung auch den Fokus auf die Gruppe gelegt –, aber ich bin gleichzeitig noch in vielen anderen Bereichen aktiv.“ So engagiert sich die Anglistik-Studentin neben ihrer Arbeit bei LiLiGoesMental auch in Gremien und Arbeitskreisen, um einen Diskurs über mentale Gesundheit zu etablieren, den öffentlichen Austausch darüber anzuregen und deutlich zu machen, dass dieses Thema alle betrifft.

Für den Preis beworben hat sich die Studentin aber nicht nur, um ihr Anliegen noch stärker in die Öffentlichkeit zu bringen. „Ich finde es wichtig, dass durch den Preis sichtbar wird, wie viel Studierende an der Uni bewegen und dass dadurch studentisches Engagement wahrgenommen und gewürdigt wird“, so Lea Hildermeier. „Ich habe mich sehr, sehr, sehr gefreut, als ich von der Nominierung erfahren habe. Es ist schön, dass unsere, dass meine ehrenamtliche Arbeit wertgeschätzt wird.“

Eine Idee, was sie mit dem Preisgeld anfangen würde, hat Hildermeier auch schon. „An anderen Unis engagieren sich Studierende ebenfalls für mentale Gesundheit. Ich würde gerne mal ein Austauschtreffen mit diesen Gruppen organisieren.“ Noch wichtiger wäre ihr aber, den Sprecher*innen bei Veranstaltungen eine Vergütung anbieten zu können. Denn die spielen eine zentrale Rolle dabei, das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen. Für sie ist es oft ein großer Schritt, sich vor Publikum mit relativ privaten Themen zu öffnen. Doch die Rückmeldungen nach Veranstaltungen seien bislang immer positiv gewesen, erzählt die Anglistik-Studentin mit einem Lächeln. „Dadurch, dass über mentale Gesundheit nicht mehr nur hinter geschlossenen Türen gesprochen wird, sinken das Schamgefühl und der Leidensdruck, weil sowohl Redner*innen als auch Zuhörer*innen merken, dass es anderen ähnlich geht.“ Und genau das möchte Lea Hildermeier mit ihrem Engagement bewirken.

Bild der Person: Jutta Küster

LiliGoesMental ist von Student*innen an der Universität Bielefeld gegründet worden und seitdem eine Bereicherung für das universitäre Leben. Mit großem Einsatz verschaffen die Mitglieder dem Thema Mental Health Sichtbarkeit und sind eine erste Anlaufstelle für Hilfe, Rat und Unterstützung für die Studierenden der Uni. Wir freuen uns, dieses Engagement für den Preis vorschlagen zu können.

Jutta Küster, Vorstand des Ehemaligennetzwerks der Universität Bielefeld e.V.

Preis für studentisches ehrenamtliches Engagement

Zu Beginn des Wintersemesters 2022/23 verleiht das Ehemaligennetzwerk der Universität Bielefeld e.V. erstmals den Preis „Engagiert studiert“ für ehrenamtliches Engagement im Studium. Das Ehemaligennetzwerk und die Universität Bielefeld möchten damit diese besondere Arbeit würdigen, fördern und finanziell unterstützen: Die*der Erstplatzierte erhält 1.000 Euro für das jeweilige Engagement, Zweit- und Drittplatzierte je 150 Euro. Bewerben konnten sich Einzelpersonen, studentische Gruppen oder studentische Projekte, die ein außerordentliches ehrenamtliches Engagement vorweisen können und damit das studentische Leben bereichern beziehungsweise eine besondere gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Das Engagement muss inhaltlich oder strukturell einen Bezug zur Universität Bielefeld haben. Nach Ablauf des Bewerbungszeitraums wählte der Vorstand des Ehemaligennetzwerks e.V. in einer ersten Auswahlrunde die drei Nominierten aus. In einer zweiten Auswahlrunde entscheidet eine unabhängige Jury über den*die Preisträger*in. Am 9. November findet die Preisverleihung statt.