Psychotherapie: Universität baut Studienangebot aus


Autor*in: Universität Bielefeld

Um die Ausbildung von Psychotherapeut*innen voranzutreiben, baut die Universität Bielefeld ihr Studienangebot aus. Noch in diesem Jahr, ab dem Wintersemester 2022/23, beginnen 60 Studierende im neuen Masterstudiengang „Klinische Psychologie und Psychotherapie“. Bis 2025 wird die Zahl dieser jährlichen Studienplätze auf 90 gesteigert. „Die Universität Bielefeld wird damit zu einem der größten Standorte für die Ausbildung von Psychotherapeut*innen in Nordrhein-Westfalen“, sagt Professor Dr.-Ing. Gerhard Sagerer, Rektor der Universität Bielefeld. Weil für die Ausbildung künftig deutlich mehr Räume benötigt werden, ziehen die psychotherapeutischen Forschungs- und Lehrambulanzen der Universität in das H1-Hochhaus in der Innenstadt.

„Der Bedarf an Psychotherapeut*innen ist dramatisch gestiegen“, sagt Professor Dr. Frank Neuner, Leiter der Arbeitseinheit Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Bielefeld. Die hohe Nachfrage hänge auch damit zusammen, dass es heute nicht mehr als Makel gelte, sich eine Behandlung zu suchen. Aktuell kommt hinzu, dass die Corona-Pandemie die psychischen Belastungen in der Bevölkerung massiv erhöht hat, wie etwa die Bundespsychotherapeutenkammer feststellt.

Verbesserte Versorgungslage in Stadt und Region

„Mit dem Aufbau der neuen Studienplätze in der Psychotherapie übernimmt die Universität Bielefeld in besonderem Maß Verantwortung für das Gesundheitssystem“, so Gerhard Sagerer. „Und wie schon in der Ausbildung von Mediziner*innen an der Universität ist auch bei der Qualifizierung der Psychotherapeut*innen anzunehmen, dass es einen Klebeeffekt geben wird. Das schafft eine gute Basis dafür, dass sich die Zahl der Psychotherapeut*innen in Praxen und Kliniken in Bielefeld und der Region Ostwestfalen in den kommenden Jahren erhöhen kann.“

Durch den Ausbau werden allein schon die Psychotherapie-Ambulanzen der Universität Bielefeld jährlich mehrere hundert Therapieplätze für Patient*innen zur Verfügung stellen. „Jede*r Studierende der Psychotherapie verpflichtet sich, im Master drei Lehrtherapien umzusetzen. Bei 90 Studierenden sind das jährlich 270 Lehrtherapien – vorzeitig abgebrochene Behandlungen nicht mitgerechnet“, sagt Professor Dr. Frank Neuner. Eine vollständige Lehrtherapie besteht aus mindestens zwölf aufeinanderfolgenden Sitzungen.

Rektor Prof. Dr.-Ing. Gerhard Sagerer, Dekanin Prof’in Dr. Elke Wild von der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft und Prof. Dr. Frank Neuner, Leiter der Arbeitseinheit Klinische Psychologie und Psychotherapie.
Sie rechnen damit, dass sich durch den neuen Masterstudiengang für Psychotherapie die Versorgungslage für psychisch kranke Menschen in Ostwestfalen verbessert: Rektor Prof. Dr.-Ing. Gerhard Sagerer, Dekanin Prof’in Dr. Elke Wild von der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft und Prof. Dr. Frank Neuner, Leiter der Arbeitseinheit Klinische Psychologie und Psychotherapie.

Einrichtung einer neuen Ambulanz für klinische Neuropsychologie

Für die aufwändige Ausbildung der künftigen Psychotherapeut*innen wird viel Personal und Raum benötigt. Deswegen werden zusätzliche Lehrtherapeut*innen eingestellt. Ebenfalls erweitert die Universität die Zahl ihrer psychotherapeutischen Ambulanzen. In ihnen begleiten Studierende die Diagnostik und Therapie von Patient*innen. Dabei werden sie intensiv von erfahrenen Therapeut*innen betreut.

Aktuell verfügt die Universität über eine Psychotherapie-Ambulanz und eine Psychotherapeutische Ambulanz für Kinder und Jugendliche. Derzeit richtet die Universität Bielefeld zusätzlich die Ambulanz für klinische Neuropsychologie ein. In dieser werden künftig Patient*innen mit hirnorganischen Schädigungen – zum Beispiel infolge von Tumoren oder Schlaganfällen – behandelt. Professor Dr. Frank Neuner ist für die Psychotherapie-Ambulanz verantwortlich. Für die Neuroambulanz wird Professorin Dr. Katja Werheid nach Bielefeld berufen, für die Ambulanz für Kinder und Jugendliche kommt Professorin Dr. Nina Heinrichs an die Universität.

Alle drei Ambulanzen werden zentral im H1-Hochhaus in der Innenstadt untergebracht

Die Ambulanzen der Universität sind künftig in der Innenstadt zu finden: Voraussichtlich ab Mai 2023 beginnt der Ausbau der Flächen für Ambulanzen im H1 am Philipp-Reis-Platz, dem ehemaligen Telekom-Hochhaus, das derzeit umgebaut wird. Die Universität mietet eine Gesamtfläche von 3662 Quadratmeter auf sechs Etagen an (Nutzfläche: 2330 Quadratmeter). Eingerichtet werden 39 Büros, 38 Therapieräume, außerdem Seminarräume, studentische Arbeitsplätze, Labore zur Hirnstrommessung (EEG), Technikräume und Wartebereiche.

Teil des Masterstudiengangs sind neben den Praxisphasen in den Ambulanzen der Universität Bielefeld auch solche, die für die stationäre Psychotherapie qualifizieren. Dafür organisiert die Universität Kooperationen mit Krankenhäusern.

Durch das erneuerte Studienangebot für die Ausbildung von Psychotherapeut*innen erhöht sich an der Universität die Gesamtzahl der Studienplätze in der Psychologie bis 2025 um etwa ein Viertel: auf 170 im Bachelor und 140 im Master. Das Land Nordrhein-Westfalen unterstützt die Erweiterung mit schrittweise steigenden Zuschüssen, bis die Förderung 2027 bei mehr als drei Millionen Euro jährlich liegt.

Das H1-Hochhaus in der Bielefelder Innenstadt
Im H1-Hochhaus in der Bielefelder Innenstadt werden die psychotherapeutischen Forschungs- und Lehrambulanzen untergebracht.

Künftig rund 1.100 Studierende in Studiengängen der Psychologie

„Die Neuausrichtung in den Studiengängen war ein Kraftakt für die Abteilung Psychologie“, sagt Professorin Dr. Elke Wild, Dekanin der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft. „Wir haben innerhalb von zwei Jahren vier neue Studiengänge akkreditiert: Der Bachelorstudiengang Psychologie wurde neu aufgestellt, wir haben drei neu konzipierte Masterstudiengänge.“ Im Master werden nun neben „Klinische Psychologie und Psychotherapie“ auch die Studiengänge „Angewandte Psychologie“ und „Experimentelle Psychologie und Neurowissenschaft“ angeboten. An der Fakultät belegen aktuell 870 Studierende Psychologie im Bachelor und Master. Für das Wintersemester 2025/2026 – dann soll der Ausbau der neu aufgestellten Studiengänge in der Psychologie abgeschlossen sein – wird von 1.110 Studierenden ausgegangen.

Hintergrund der Neuausrichtung der Studiengänge in der Psychologie ist eine weitreichende Reform des Gesetzes zur Ausbildung von Psychotherapeut*innen, die Bundestag und Bundesrat 2019 beschlossen haben. Künftig wird die staatliche Zulassung als Psychotherapeut*in nach einem fünfjährigen Universitätsstudium erteilt. Eine wichtige Neuerung: Die Qualifizierung zu Fachpsychotherapeut*innen gilt nicht mehr als Teil der Berufsausbildung, sondern erfolgt als Weiterbildung nach der Approbation. Weil es sich um eine Weiterbildung handelt, müssen die Therapeut*innen dafür künftig tarifgemäß bezahlt werden.