Künstlerische Darstellung: Gruppierung von Pulsaren um die Erde, eingebettet in einen Gravitationswellenhintergrund

Gesucht: ein kosmischer Hintergrund aus Gravitationswellen


Autor*in: Universität Bielefeld

Wenn ein Stern explodiert oder schwarze Löcher miteinander verschmelzen, entstehen Schwingungen, die sich extrem langsam durch das Weltall ausbreiten – Gravitationswellen mit ultraniedriger Frequenz. Ein internationales Team von Astronom*innen, darunter der Astrophysiker Professor Dr. Joris Verbiest von der Universität Bielefeld, hat jetzt die Ergebnisse einer umfassenden Suche nach einem ultraniederfrequenten Gravitationswellenhintergrund veröffentlicht. Dieses Hintergrundrauschen entsteht dadurch, dass im Weltall unzählige Objekte Gravitationswellen ausstrahlen, die sich überlagern. Forschende wollen dieses spezielle Rauschsignal finden und nutzen, um die Geschichte und Entwicklung von Galaxien aufzuklären. Erschienen sind die neuen Forschungsbefunde in der Fachzeitschrift „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“.

Albert Einstein sagte die Existenz von Gravitationswellen vor hundert Jahren mit seiner Relativitätstheorie voraus. Gemäß der Theorie werden diese Schwingungen im Raum von allen beschleunigten Körpern ausgelöst. Sie verbiegen den Raum und entstehen etwa bei der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher oder durch Explosionen von Sternen. Ähnlich wie ein ins Wasser geworfener Stein breiten sich Gravitationswellen in alle Richtungen aus. Je schwerer ein Himmelskörper ist und je schneller er sich beschleunigt, umso mehr Gravitationswellen werden produziert.

Bild der Person: Prof. Dr. Joris Verbiest
Der Astrophysiker Prof. Dr. Joris Verbiest von der Universität Bielefeld sucht gemeinsam mit hunderten Fachkolleg*innen nach regelmäßigen Gravitationswellen-Signalen im Weltall. Foto: Universität Bielefeld

Zweite Datenveröffentlichung des Netzwerks nach 2016

Mit Gravitationswellen lassen sich Phänomene im Weltall unabhängig von Licht erforschen. Möglich wird das durch die Messung von Gravitationswellen mit Frequenzen im Nanohertzbereich – die Wellen ändern sich extrem langsam, weshalb die Forschenden sie über eine Dauer von Jahrzehnten beobachten müssen, um Veränderungen festzustellen. Sie können nur erfasst werden, wenn über viele Jahre Signale aus dem Weltall aufgefangen werden. Die aktuelle Publikation stellt die Zusammenstellung und Analyse solcher Langzeitmessungen vor. Präsentiert werden die Ergebnisse vom International Pulsar Timing Array (IPTA) – einem globalen Netzwerk von Astronom*innen. Im IPTA kooperieren wiederum mehrere regionale Konsortien von Wissenschaftler*innen von Universitäten und Forschungsinstituten. Die Forschenden arbeiten an Radioteleskopen und befassen sich mit der Analyse und Modellierung von Gravitationswellensignalen. Nachdem 2016 erste Ergebnisse zur Suche nach Gravitationswellen publiziert wurden, folgt nun die zweite Datenveröffentlichung („Data Release 2“, DR2). Insgesamt sind 126 Wissenschaftler*innen an der Publikation beteiligt.

Der neue Datensatz besteht aus Zeitmessdaten von 65 Millisekundenpulsaren. Pulsare sind rotierende Neutronensterne – kompakte, extrem dichte Überreste ausgebrannter Sterne. Sie drehen sich hunderte Male pro Sekunde um die eigene Achse. Dabei senden sie an ihren magnetischen Polen stark gebündelte Radiowellen aus. Die Wellen werden aufgrund der Drehung der Neutronensterne als Pulse sichtbar. Die Signale werden von den Gravitationswellen beeinflusst und ermöglichen die Untersuchung des Ursprungs des Gravitationswellenhintergrunds. Gemessen werden die Signale mit einem Netz weltweiter Radioteleskope. Daran wirken drei Radioteleskop-Konsortien mit: das European Pulsar Timing Array (EPTA), das nordamerikanische Nanohertz-Observatorium für Gravitationswellen (NANOGrav) und das Parkes Pulsar Timing Array in Australien (PPTA). Die drei Konsortien haben das IPTA gegründet. Für die jetzige Datenveröffentlichung des IPTA wurden Datensätze kombiniert, die die drei Radioteleskop-Konsortien voneinander unabhängig erzeugt hatten.

Datensatz von europäischem Konsortium deckt bis zu 18 Jahre ab

Vom europäischen Radioteleskop-Konsortium EPTA, an dem auch die Arbeitsgruppe von Joris Verbiest von der Universität Bielefeld mitwirkt, stammen Daten zu 42 Pulsaren. Diese Messungen wurden über einen Zeitraum von bis zu 18 Jahren erfasst und in Zeitreihenuntersuchungen ausgewertet. „Eine der Stärken der EPTA liegt in der Datenkombination – der EPTA-Datensatz muss aus Messungen von bis zu fünf verschiedenen Radioteleskopen zusammengeführt werden“, erklärt Joris Verbiest. Er ist eines der leitenden Mitglieder des EPTA und Mitautor der neuen Studie. „Weil Datenkombination eine der Hauptkompetenzen der EPTA ist, hat unser Konsortium eine führende Rolle bei der Erstellung der aktuellen IPTA-Datenpublikation übernommen.“

„Das European Pulsar Timing Array ist selbst bereits ein internationales Projekt und wir sind es gewohnt, Daten von bis zu fünf verschiedenen Radioteleskopen zu kombinieren und sogar gleichzeitig zu beobachten. Dieses Fachwissen war bei der Erstellung der aktuellen Datenveröffentlichung sehr hilfreich“, sagt Dr. David Champion vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn, Mitglied des EPTA-Konsortiums und Mitautor der Studie.

Radioteleskop in einem Waldgebiet
Das Radioteleskop Effelsberg des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie ist Teil des IPTA-Radioteleskop-Netzwerks im Rahmen des Large European Array for Pulsars (LEAP). Foto: Norbert Tacken/MPIfR

Die Daten und Analysen des EPTA machen einen Großteil der Angaben in der IPTA-Datenpublikation aus. Die verwendete Analysemethodik, die auf bayesscher Statistik basiert, wurde großteils von Mitgliedern des EPTA entwickelt. Mit der Methodik lassen sich Obergrenzen für die Stärke des Gravitationswellenhintergrunds (GWB) festlegen, um so die Statistik des entstehenden Signals über die Jahre hinweg verstehen zu können.

Starke Hinweise auf Gravitationswellensignal im ultraniedrigen Frequenzbereich

Die Suche nach einem Gravitationswellenhintergrund beinhaltet auch, dass die einzelnen Datensätze der regionalen Konsortien mit dem kombinierten Gesamtdatensatz verglichen werden. Der Vergleich hat jetzt deutliche Hinweise auf ein niederfrequentes Gravitationswellensignal ergeben, das bei vielen der Pulsare in den kombinierten Daten entdeckt wurde.

„Es ist wirklich großartig, diese Arbeit zu sehen und am IPTA-Netzwerk beteiligt zu sein“, sagt Dr. Krishnakumar Ambalappat aus der Arbeitsgruppe von Joris Verbiest. Ambalappat war nicht an der aktuellen Arbeit beteiligt, leitet aber die Integration der indischen Daten in die nächste IPTA-Datenveröffentlichung. Künftig werden neue Daten des MeerKAT-Teleskops in Südafrika und des Indian Pulsar Timing Array (InPTA), dem jüngsten Mitglied der IPTA, die Datensätze des globalen Netzwerks erweitern. „Vor einem halben Jahrzehnt wurde die erste IPTA-Kombination von unserer Arbeitsgruppe geleitet“, sagt Ambalappat. „Jetzt arbeiten wir im IPTA-Netzwerk an der dritten Datenkombination, die noch mehr Daten enthalten und noch präziser ausfallen wird, sodass wir einem überzeugenden Nachweis von Gravitationswellen und der direkten Untersuchung supermassereicher schwarzer Löcher zum ersten Mal sehr nahe kommen.“

Künstlerische Darstellung: Gruppierung von Pulsaren um die Erde, eingebettet in einen Gravitationswellenhintergrund
Die künstlerische Darstellung des IPTA-Experiments zeigt eine Gruppierung von Pulsaren um die Erde, eingebettet in einen Gravitationswellenhintergrund, der von Binärsystemen von supermasse-reichen schwarzen Löchern herrührt. Bild: Carl Knox/OzGrav Foto: Carl Knox/OzGrav

Forschende arbeiten an Datensatz mit mindestens 25 Pulsaren

Kürzlich produzierte das European Pulsar Timing Array einen neuen Datensatz mit sechs Pulsaren, mit dem die Beobachtungszeit auf 24 Jahre mit empfindlicheren Daten erweitert werden konnte. Die Analyse erfolgte sowohl für die Suche nach einem gemeinsamen Signal über zwei unabhängige Datenanalysekanäle als auch für eine einzelne Studie zum Rauschen der Pulsare. Es wird weiterhin daran gearbeitet, die Anzahl der Pulsare auf mindestens 25 zu erhöhen. Dieser erweiterte EPTA-Datensatz wird dann auch Teil der nächsten IPTA-Datenkombination werden. In Anbetracht der zuletzt veröffentlichten Ergebnisse von den Einzelgruppen, die nun alle das gemeinsame Signal darstellen können, ist das IPTA optimistisch, was erreicht werden kann, wenn diese Daten wiederum in der nächsten Datenveröffentlichung (IPTA DR3) kombiniert werden.

Originalveröffentlichung:
The International Pulsar Timing Array second data release: Search for an isotropic Gravitational Wave Background. Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, https://doi.org/10.1093/mnras/stab3418, online erschienen am 12. Januar 2022.