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Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung wird 25 Jahre


Autor*in: Jörg Heeren


In Krisenzeiten verstärken sich offene und unterschwellige gesellschaftliche Konflikte, die mit Abwertungen, Diskriminierungen und anderen Formen der Gewalt gegen Menschen einhergehen. Zugleich bringen Krisen und Konflikte neue Formen von Solidarität und sozialem Zusammenhalt hervor und tragen das Potenzial in sich, Gesellschaften nachhaltig und positiv zu verändern. Seit den 1990er Jahren erforschen Wissenschaftler*innen am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld, wie Diskriminierung, Extremismus und menschenfeindliche Orientierungen Konflikte und Gewalt in der Gesellschaft prägen. Aus Anlass seines 25-jährigen Bestehens tagt das IKG am 28. und 29. Oktober am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld.


Prof. Dr. Andreas Zick. Foto: Universität Bielefeld Das IKG hat sich seit seiner Gründung zu einem bundesweit anerkannten Forschungsinstitut im Feld der interdisziplinären Konflikt- und Gewaltforschung entwickelt. Aufgebaut wurde das Institut von dem Soziologen Professor Dr. Wilhelm Heitmeyer. Auf der Jubiläumstagung disku-tieren Wissenschaftler*innen aktuelle Konflikt- und Gewaltphänomene, neue gesellschaftliche Herausforderungen durch gesellschaftliche Polarisierung und Radikalisierung sowie lokale und digitale Konfliktdynamiken. Aber auch die zunehmende Politisierung der wissenschaftlichen Arbeit und Fragen des Forschungs- und Wissenstransfers stehen auf der Tagesordnung.

Die Wissenschaftler*innen des IKG betrachten Konflikte und Gewalt als wichtige Herausforderungen, aber auch als potenzielle Katalysatoren für die Veränderung von Gesellschaften. „Wir untersuchen Bedingungen, Ausdrucksformen und Folgen von Konflikten innerhalb von Gesellschaften“, sagt der Sozialpsychologe Professor Dr. Andreas Zick, der das Institut seit 2013 als Direktor leitet und vor kurzem für weitere vier Jahre im Amt bestätigt wurde. „Uns interessiert gleichermaßen, wie Konflikte einerseits soziale Gruppen auseinandertreiben und Gewalt befördern und wie sie andererseits positiv zum gesellschaftlichen Wandel beitragen“, so Zick.


Prof. Dr. Andreas Zick leitet das Insti-tut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung seit 2013.
Foto: Universität Bielefeld

Am IKG forschen rund 80 Mitarbeiter*innen und kooptierte Mitglieder, einschließlich einer Gruppe von Scholars at Risk – geflohene Wissenschaftler*innen, die in Bielefeld ein sicheres Forschungsfeld gefunden haben. Als zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Universität Bielefeld, finanziert sich das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung zu 80 Prozent aus Drittmitteln der Wissenschaftsförderung. Es ist eines der Teilinstitute im Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ), das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung an elf Standorten gefördert wird. Zum IKG gehört zudem seit März 2020 eine Emmy-Noether-Forschungsgruppe zu Folgen und Prävention von Gewalt gegen Kinder. Juniorprofessor Dr. Tobias Hecker leitet die Gruppe, gefördert wird sie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Bekannt für das Konzept der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit

Seit vielen Jahren prägt das interdisziplinäre Forschungszentrum mit seinen Analysen die Forschung und die öffentliche Diskussion über die Abwertung und Ausgrenzung schwacher Gruppen. In bekannten Langzeitstudien wie dem Erinnerungsmonitor und der „Mitte-Studie“ analysieren Forschende sich wandelnde soziale Erfahrungen und politische Einstellungen in der Gesellschaft und deren Folgen für sozialen Zusammenhalt, Partizipation, Demokratie und Frieden. Das am IKG entwickelte Konzept der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit wird heute in bundesweiten Ausschreibungen zur Stärkung der Demokratie, in Medien und Politik verwendet. Es prägte unter anderem den 2018 von der Bundesregierung verabschiedeten Nationalen Aktionsplan Rassismus.

Forschung zu Radikalisierung als ein Schwerpunktthema des Instituts

Seit vielen Jahren weist das IKG durch seine Forschungen aus, dass Radikalisierungen von Menschen mitten in Gesellschaften entstehen. Forschungsverbünde zu islamistischer und rechtsextremer Radikalisierung sowie zu Radikalisierungsprävention prägen das IKG. Im vergangenen Jahr haben Forscher*innen die interaktive Online-Karte mapex-projekt.de zugänglich gemacht, über die Akteur*innen aus Forschung und Praxis „Deradikalisierungsprojekte“ erkunden können. In aktuellen Projekten erforschen Wissenschaftler*innen des IKG beispielsweise, wie ein effektives kommunales Konfliktmanagement in Zeiten zunehmender Angriffe auf demokratische Institutionen, Politiker*innen und Mitglieder der Zivilgesellschaft gestaltet sein muss. In Projekten im Rahmen des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt setzen sich IKG-Wissenschaftler*innen unter anderem mit Rassismus in Institutionen auseinander.

Im Sinne nationaler und europäischer Bestrebungen zum offenen Wissenstransfer fördert das IKG die barrierefreie Veröffentlichung seiner Forschungsergebnisse. Das International Journal of Conflict and Violence – eine einschlägige Open-Access-Zeitschrift – wird redaktionell vom IKG verantwortet.

Tagungen und Vorträge zum 25-jährigen Bestehen


Das Jubiläum nach 25 Jahren Grundlagen- und Anwendungsforschung dient den Forschenden dazu, Bilanz zu ziehen und den Blick auf das zukünftige Forschungsprogramm zu richten. „Das interdisziplinäre Forschungsprofil des Instituts erlaubt es uns, wichtige Beiträge zu aktuellen wissenschaftlichen und öffentlichen Debatten zu liefern“, sagt Professorin Dr. Priska Daphi, Protestforscherin und stellvertretende Direktorin des IKG.

Im Wintersemester 2021/22 organisiert das IKG Tagungen und Vorträge zu theoretisch-konzeptionellen und methodischen Ansätzen der interdisziplinären Konflikt- und Gewaltforschung. Zu den Themen der Veranstaltungen zählen etwa Analysen von Erinnerungskultur, sozialem Zusammenhalt sowie stadtteilbezogener Ordnungsdynamiken, außerdem Gerichtsethnographie in Terrorismusprozessen wie auch psychosoziale Folgen von Gewalt im Kindesalter. Zum Jahreswechsel wird das IKG im Rahmen einer Fotoausstellung der Fotografin Olivia Vivan-co zu Materialität und Migration zu einer Diskussion aktueller Migrationsphänomene einladen. Die öffentliche Ausstellung ist im X-Gebäude der Universität auf der 1. Etage zu sehen. Über das Programm informiert das IKG auf seiner Website.

Die IKG-Jubiläumstagung am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) ist ausschließlich für Mitglieder und Gäste des Instituts geöffnet. Medienvertreter*innen haben am Donnerstag, 28. Oktober, um 11 Uhr Gelegenheit, mit Institutsdirektor Professor Dr. Andreas Zick und weiteren Wissenschaftler*innen des IKG zum Jubiläum und zu aktuellen Herausforderungen in der Konflikt- und Gewaltforschung zu sprechen. Anmeldung bis zum 27. Oktober an sekretariat.ikg@uni-bielefeld.de.

Meilensteine des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung

18.12.1996: Das IKG wird gegründet.
16.04.1997: Das Institut wird mit dem Symposium „Gesellschaftliche Entwicklungen, wissenschaftliche Verantwortung und Gewalt“ feierlich eröffnet.
2002: Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer, damaliger IKG-Direktor, gibt den ersten Band der Reihe „Deutsche Zustände“ heraus. In zehn Büchern präsentiert eine Forschungsgruppe jährlich bis 2012 die Entwicklung der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in Deutschland.
2007: Das IKG bringt erstmals die Open-Access-Zeitschrift „International Journal of Conflict and Violence“ (IJCV) heraus.
2012: Das NRW-Wissenschaftsministerium ernennt das IKG zum „Ort des Fortschritts NRW“.
2013: Prof. Dr. Andreas Zick wird vom Vorstand des Instituts zum neuen Direktor gewählt.
2014: Die Studienreihe zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit wird als Mitte-Studie weitergeführt.
2015: Gemeinsam mit dem Rektorat, dem Allgemeinen Studierendenausschuss der Universität Bielefeld und weiteren Akteur*innen ruft das IKG „Uni ohne Vorurteile“ ins Leben – eine universitätsweite Kampagne zur Förderung von Gleichwertigkeit und Antidiskriminierung.
2016: Prof. Dr. Andreas Zick erhält den Communicator-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft.
2017: Das IKG wird Gründungsmitglied der Forschungsgemeinschaft des Deutschen Zentrums für Integration und Migration (DeZIM).
2018: Die erste Publikation des Multidimensionalen Erinnerungsmonitors erscheint, gefördert von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft.
2019: Das IKG wird mit anderen Instituten vom Wissenschaftsrat in die Begutachtung der Friedens- und Konfliktforschung einbezogen.
2019/2020: Die IKG-Forscher Prof. Dr. Martin Kroh und Prof. Dr. Andreas Zick werden Mitglieder der Fachkommission zu den Rahmenbedingungen der Integrationsfähigkeit des Landes, die von der Bundesregierung eingesetzt wird.
2020: Die Universität Bielefeld wird einer von elf Standorten des bundesweiten Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ). Das IKG koordiniert die Bielefelder FGZ-Forschung. Im selben Jahr beteiligt sich das IKG am „SOEP RegioHub“, dem Leibniz-WissenschaftsCampus der Universität Bielefeld und des Sozio-oekonomischem Panels (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin.

Weitere Informationen:
Website des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung