Wie die Opiumkriege bis heute in China und Großbritannien nachwirken


Autor*in: Universität Bielefeld

Letztlich ging es um die Handelsbilanz: Im 19. Jahrhundert importierte Großbritannien Tee, Seide und Porzellan aus China, umgekehrt aber wurden in China kaum britische Waren nachgefragt. Um dem einseitigen Abfluss von Devisen beizukommen, ließen die Briten in Indien Opium anbauen und verkauften es in China. Das war verboten, lohnte sich aber trotzdem – bis der chinesische Kaiser intervenierte. Zwei Kriege wurden Mitte des 19. Jahrhunderts um den Opiumhandel geführt. Im Selbstverständnis beider Nationen wirken sie bis heute nach. Die kulturellen und soziopolitischen Folgen der Opiumkriege sind Thema des Online-Workshops „Opiumkriege – Opiumkulturen“ („Opium Wars – Opium Cultures“). Er wird am Mittwoch und Donnerstag, 23. und 24. Juni, vom Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld organisiert.

Seit den Opiumkriegen sind gut 160 Jahre vergangen, doch in der Erinnerung spielen sie noch immer eine Rolle: Sie lösten Flüchtlingsbewegungen aus, prägten den weltweiten Drogenhandel und das Selbstverständnis der beteiligten Staaten. „Die Opiumkriege gelten in China als historischer Wendepunkt zur Moderne und haben deshalb ein enormes Gewicht für die Konstruktion nationaler Identität“, erklärt die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Privatdozentin Dr. Nadine Böhm-Schnitker von der Universität Bielefeld, die die Online-Tagung leitet.

„Die Opiumkriege sollten sowohl interkulturell als auch interdisziplinär erforscht werden“, sagt PD Dr. Nadine Böhm-Schnitker. Sie leitet die Tagung zu den Folgen der Opiumkriege. Foto: Universität Bielefeld/Katrin Biller

Diese Erinnerung sei allerdings nicht ganz einfach: In Großbritannien vertrage sich der Anspruch, als Kolonialmacht vor allem Zivilisation verbreitet zu haben, schlecht mit der Förderung des Drogenhandels – in China zählen die Opiumkriege wegen der Zugeständnisse an die Briten zum „Jahrhundert der nationalen Schande“.

„Plakativ gesprochen herrscht in China ein Erinnerungsdiskurs, in Großbritannien ein Vergessensdiskurs“, so Böhm-Schnitker. „Nachwirkungen aus dieser unterschiedlichen Bewertung sehen wir in den Beziehungen beider Länder bis heute.“

Erst in jüngster Zeit hat zumindest die Wissenschaft die nationalen Grenzen überwunden und die Opiumkriege als Teil der Globalgeschichte aufgearbeitet. „Was bis heute fehlt, sind Studien, die unterschiedliche Disziplinen zu den Opiumkriegen zu Wort kommen lassen. Diese Lücke soll unser Workshop füllen, um den Facettenreichtum der Auseinandersetzungen sichtbar zu machen“, so die Organisatorin der Tagung.

Dazu hat sie 15 internationale Forschende aus Literatur-, Kultur- und Geschichtswissenschaft, Sinologie, Südasienstudien und Amerikanistik, Internationalen Beziehungen und Pädagogik eingeladen. „Dadurch, dass Wissenschaftler*innen aus Deutschland, Großbritannien, Kanada, Hongkong und China zusammenkommen, können die Opiumkriege aus unterschiedlichen nationalen Perspektiven in einem interkulturellen und interdisziplinären Kontext diskutiert und die unterschiedlichen Erinnerungskulturen verhandelt werden“, erklärt Böhm-Schnitker. „Damit möchten wir dazu beizutragen, besser zu verstehen, wie sich die kollektiven Erinnerungen ausbilden und erhalten.“