Weltweit gibt es nach Schätzungen des UN-Flüchtlingskommissariats mehr als 28 Millionen Geflüchtete und Asylsuchende. Wie sich diese Menschen bewegen und wie sie leben können, ist besonders stark reguliert. Vor allem ihre Unterbringung in Camps oder Sammelunterkünften greift massiv in ihre Möglichkeiten ein, ihr Leben zu gestalten. Welche Folgen dies für Leben und Gesundheit von Geflüchteten und Asylsuchenden hat und welche Alternative es gibt, diskutieren Forschende auf der Tagung „Paradies oder Fegefeuer? Herausforderungen bei der Unterbringung von Geflüchteten“ („Paradies or Purtatory? The challenges of accomo-dating refugees“). Die Online-Tagung wird am Donnerstag und Freitag, 10. und 11. Juni, vom Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld ausgerichtet.
Werden Geflüchtete in Massenunterkünften untergebracht, wird zwar für ihre alltäglichen Bedürfnisse gesorgt. Doch zugleich wird den Menschen die Möglichkeit genommen, ihren Alltag, etwa Ernährung, Arbeit und Freizeit, selbst zu gestalten. „Das hat weitreichende Konsequenzen für die physische und psychische Gesundheit und berührt auch elementare Menschrechte“, sagt der Gesundheitswissenschaftler Professor Dr. Oliver Razum von der Universität Bielefeld. Er leitet den Workshop zusammen mit der Philosophin Dr. Lisa Eckenwiler (George Mason University, Virginia, USA), der Medizinethikerin Professorin Dr. Verina Wild (Universität Augsburg) und dem Public-Health-Ethiker Professor Angus Dawson PhD (University of Sydney, Australien).
An dem Workshop nehmen 30 Wissenschaftler*innen aus Deutschland, Australien und den USA teil – Mediziner*innen, Gesundheitswissenschaftler*innen, Konflikt- und Gewaltforscher*innen, Psycholog*innen, Soziolog*innen, Historiker*innen und Ökonom*innen.
„Ob sich eine Unterbringung für Geflüchtete als Paradies oder Fegefeuer erweist, hängt vor allem davon ab, wie die zuständigen Stellen ihre Aufnahme umsetzen“, sagt Oliver Razum. Zwar seien international Standards definiert, doch diese würde längst nicht immer umgesetzt. „In armen Staaten kann dies an einem Mangel an Ressourcen liegen“, so der Forscher, „In reichen Ländern sind es andere Gründe, die dazu führen, dass solche Lager die psychische oder sogar physische Gesundheit gefährden können.“ Diese zu untersuchen sei besonders informativ, weshalb die Forschenden sich bei ihrem Workshop auf Beispiele aus Australien, der Europäischen Union, insbesondere Deutschland, und den USA konzentrieren werden.
„Uns geht es zum einen um die Auswirkungen des Lebens in Camps für die Geflüchteten, zum anderen aber um Alternativen zu dieser Unterbringungsform“, sagt der Gesundheitswissenschaftler. Es sei wichtig, andere Formen zu erproben, in denen die Menschen nicht als passive Objekte von Verwaltungsmaßnahmen gesehen werden, sondern als Handelnde, die ihre Umwelt selbst gestalten und so zu ihrem eigenen Wohlbefinden beitragen können.
Auf der Tagung diskutieren die Forschenden, wie solche neuen Formen der Unterbringung aussehen und wissenschaftlich evaluiert werden können. „Auch wo es bereits gute Forschungsergebnisse von Seiten der Gesundheitswissenschaften gibt, ist es oft schwierig, diese in die Praxis zu bringen“, sagt Razum. „Dazu möchten wir mit dem Workshop einen signifikanten Beitrag leisten.“
Journalist*innen sind herzlich eingeladen, über die Tagung zu berichten. Zudem steht Oliver Razum für Medienanfragen zur Verfügung. Die Tagungssprache ist Englisch.