Wissenschaftler*innen des Forschungsprojektes MiningImpact starten auf eine sechswöchige Expedition in die Clarion-Clipperton Bruchzone (CCZ) im Pazifik. Ziel ist die unabhängige wissenschaftliche Untersuchung der Auswirkungen vom Manganabbau in den Meeren auf das Ökosystem. “Auf diesem Wege hoffen wir, eine möglichst gute und aussagekräftige Datenlage zu gewinnen, welche die Auswirkungen des Manganabbaus auf das Ökosystem überzeugend belegen kann”, sagt Professor Dr. Tim Wilhelm Nattkemper von der Forschungsgruppe Biodata Mining der Universität Bielefeld. Die Gruppe gehört zu den Partnern des Projekts MiningImpact und entwickelt Methoden zur Analyse großer Mengen von Unterwasserbild- und -videodaten. Die jetzt anlaufende Untersuchung erfolgt parallel zum Test des Prototypen eines Manganknollenkollektor-Fahrzeugs der belgischen Firma Global Sea Mineral Resources (GSR).
Anhand der Ergebnisse der integrierten Analyse der Ökosystemauswirkungen werden anschließend Empfehlungen für verbesserte Umweltstandards und Richtlinien des derzeit von der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) erarbeiteten Mining Codes erstellt. Das Projekt MiningImpact folgt dabei vollständig den Regeln guter wissenschaftlicher Praxis und wird alle Daten öffentlich zugänglich machen.
Für das Projekt kooperiert ein internationales Konsortium von Forschenden. Beteiligt sind auf deutscher Seite neben der Universität Bielefeld: Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR), Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI in Bremerhaven), Forschungsinstitut Senckenberg am Meer (Senckenberg in Wilhelmshaven), Max Planck Institut Marine Mikrobiologie (MPI in Bremen) und die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR in Hannover).
Internationales Interesse an Manganknollen
Die Untersuchungsgebiete von „MiningImpact“ in der Clarion-Clipperton Bruchzone (CCZ) befinden sich in Wassertiefen von mehr als 4.000 Metern und über 1.500 Kilometer von der mexikanischen Küste entfernt. Die gesamte CCZ erstreckt sich über eine Fläche von fast fünf Millionen Quadratkilometer, auf der der Meeresboden weiträumig mit Manganknollen bedeckt ist. Diese Hartsubstrate enthalten große Mengen an wirtschaftlich interessanten Metallen, wie Kupfer, Kobalt und Nickel, die für Hightech-Produkte für Energiewende, Mobilität und Telekommunikation benötigt werden.
Das Gebiet zwischen Mexiko und Hawaii liegt außerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszonen von Staaten und gehört somit zum gemeinsamen Erbe der Menschheit. Die Bodenschätze in diesem Gebiet werden von der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) mit Sitz in Kingston, Jamaika verwaltet. Die Zuständigkeit und Aufgaben der ISA sind im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) geregelt, das von 167 Ländern und der Europäischen Union ratifiziert wurde. Die ISA erarbeitet derzeit den sogenannten Mining Code, der den rechtlichen Rahmen für künftige Tiefseebergbauaktivitäten bilden wird und aktuell in einem iterativen Prozess, unter anderem mit Stakeholder-Konsultationen, entwickelt wird. Dieses Regelwerk soll strenge und verbindliche Umweltstandards definieren, etwa zur Durchführung von Basis-Untersuchungen der natürlichen Bedingungen (Baselines), zur Überwachung der Abbauaktivitäten, sowie Grenzwerte für Umweltauswirkungen und Indikatoren für den guten Zustand des Tiefsee-Ökosystems. Zur Ausgestaltung des Mining Codes, werden daher dringend wissenschaftliche Erkenntnisse über die ökologischen Auswirkungen des Tiefseebergbaus benötigt.
Schäden am Ökosystem verhindern
Das JPI Oceans-Verbundprojekt „MiningImpact“ hat sich zum Ziel gesetzt, einen Beitrag zur Bewertung dieser Auswirkungen zu leisten und Handlungsoptionen zu entwickeln, mit denen schwerwiegende Schäden am Ökosystem in der Tiefsee verhindert werden können.
„Die Forschung des MiningImpact-Konsortiums ist extrem wichtig und essentiell, um sicherzustellen, dass die Meeresumwelt in der Tiefsee nach den höchstmöglichen Standards geschützt wird“, sagt Professorin Katja Matthes, Direktorin des GEOMAR. „Die Ergebnisse des Projekts werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse liefern, die von der Internationalen Meeresbodenbehörde dringend benötigt werden, um verbesserte Umweltstandards und Richtlinien im derzeit entwickelten Mining Code zu implementieren“, so Matthes weiter.
Unabhängige wissenschaftliche Studien
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat das Schiff ISLAND PRIDE gechartert und die „MiningImpact“-Partner eingeladen, ihre unabhängigen wissenschaftlichen Umweltuntersuchungen des Kollektortests durchzuführen. Die belgische Firma GSR begrüßt diese unabhängigen wissenschaftlichen Studien ihrer Aktivitäten und hat sich eng mit den Wissenschaftler*innen ausgetauscht, um den vollständigen Zugang zu den Tests zu ermöglichen.
Die Tests werden in den von der ISA erteilten belgischen und deutschen Explorations-Vertragsgebieten in der CCZ stattfinden. „Dies bietet uns die erst- und einmalige Gelegenheit, erstmals quantitative wissenschaftliche Erkenntnisse über die Umweltfolgen des Manganknollenabbaus in einem realistischeren Szenario zu sammeln, als dies bisher möglich war“, erklärt Projektkoordinator Dr. Matthias Haeckel vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.
Untersucht werden nicht nur die direkten Auswirkungen, die das Kollektor-Fahrzeug beim Abbau der Manganknollen verursacht, sondern auch die Effekte der dabei aufgewirbelten Sedimentwolke, die eine viel größere Fläche betreffen können. Die Daten werden den Wissenschaftler*innen neue Erkenntnisse über die Auswirkungen auf das Ökosystem Tiefsee durch einen möglichen, zukünftigen Abbau liefern. Diese können aus den in den vergangenen Jahrzehnten durchgeführten, kleinskaligen Störungsexperimenten bisher nur limitiert abgeleitet werden.
Untersuchungen vor Ort
Gleichzeitig wird eine integrierte Strategie zur Umweltüberwachung getestet, die auch zukünftig bei anthropogenen Aktivitäten in der Tiefsee Anwendung finden kann, um sicherzustellen, dass Umweltstandards und Zielvorgaben eingehalten werden. „Mit dem Einsatz modernster wissenschaftlicher Geräte können wir die Ausbreitung der durch das Fahrzeug erzeugten Sedimentwolke bestimmen und zusätzlich untersuchen, wie sich das Material aus den Wolken wieder auf den umgebenden Meeresboden ablagert. Hierdurch können wir solche Auswirkungen endlich quantitativ erfassen“, sagt Dr. Henko De Stigter vom Königlich-Niederländischen Institut für Meeresforschung (NIOZ), der die Sensorgruppe an Bord leitet.
Zusammen mit den Manganknollen wird das Kollektorfahrzeug voraussichtlich die obersten 10 bis 15 Zentimeter des Meeresbodens und die darauf und darin lebenden Organismen abtragen. „Neben der Erfassung des Biodiversitätsverlustes über verschiedene Faunenklassen hinweg umfasst unsere Arbeit auch Studien zu biogeochemischen Flüssen, mikrobiellen Umsatzraten und Ökosystemfunktionen, in-situ Ökotoxikologie, Freisetzung von Spurenmetallen sowie Messungen der Lärm- und Lichtemissionen des Kollektorfahrzeugs und vieles mehr“, fasst Dr. Haeckel die Hauptziele der Expedition zusammen. Zu den eingesetzten modernen Instrumenten gehören zwei ferngesteuerte Tauchroboter (Remotely Operated Vehicles, ROV), ein autonomes Unterwasserfahrzeug (Autonomous Underwater Vehicle, AUV), in-situ Sauerstoffprofiler und Experimentierkammern, in-situ Pumpen sowie 50 interkalibrierte hydroakustische und optische Sensoren zur Messung der Sedimentkonzentrationen und Partikelgrößen in der aufgewirbelten Wolke.
Phase zwei des Projekts
Das JPI Oceans Projekt MiningImpact untersucht seit 2015 die ökologischen Folgen des Tiefseebergbaus und wie dessen Auswirkungen reduziert werden können. Dabei werden Untersuchungen an Jahrzehnte alten Spuren früherer Studien sowie kleinere Experimente durchgeführt, um die Reaktionen des Lebens in der Tiefsee auf die Auswirkungen des Manganknollenabbaus zu verstehen. Die bereits abgeschlossene, erste Phase lieferte wesentliche erste Erkenntnisse über die zu erwartenden Langzeiteffekte des Tiefseebergbaus. In der aktuellen zweiten Phase, planen die Wissenschaftler*innen eine umfassende Umweltüberwachung der unmittelbaren Umweltauswirkungen des ersten Tests des Prototyps eines industriellen Kollektorfahrzeugs in Echtzeit. Der erste Versuch von GSR, den Kollektor im Frühjahr 2019 zu testen, konnte aufgrund eines technischen Defekts des Stromversorgungs- und Kommunikations-Kabels zum Gerät nicht stattfinden.
Forschungsschwerpunkte des Projekts
Die zweite Phase von „MiningImpact“ (2018-22) baut auf den Ergebnissen der ersten Projektphase auf und adressiert drei Forschungsschwerpunkte: (1) die großräumigen Umweltauswirkungen, die durch die aufgewirbelte Sedimentwolke verursacht werden, (2) die regionale Konnektivität von Arten und die Biodiversität biologischer Gemeinschaften und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Störungen und (3) die integrierten Auswirkungen auf benthische Nahrungsnetze, biogeochemische Prozesse und andere Ökosystemfunktionen.
Das Projekt MiningImpact wird unabhängig von den Aktivitäten von GSR durchgeführt und erhält keine finanziellen Zuwendungen von GSR. Auch GSR erhält keine Finanzmittel aus dem MiningImpact-Projekt. GSR führt zudem ein eigenes Monitoring-Programm auf seinem Schiff durch.
MiningImpact erhält im Rahmen der Joint Programming Initiative Healthy and Productive Seas and Oceans (JPI Oceans) Fördermittel vom:
- Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Deutschland
- Belgian Science Policy Office (BELSPO) und Flanders EWI Department, Belgien
- Research Council of Norway (RCN), Norwegen
- The Netherlands Organization for Scientific Research (NWO), Niederlande
- Fundação para a Ciência e a Tecnologia (FCT) and Direção-Geral de Política do Mar (DGPM), Portugal
Dieser Artikel basiert auf einer gemeinsamen Pressemitteilung folgender Institutionen: GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Jacobs University Bremen gGmbH, MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen, Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Biodata-Mining-Gruppe an der Universität Bielefeld, Deutsche Allianz Meeresforschung, Joint Programming Initiative Healthy and Productive Seas and Oceans.