Eine neue Studie zeigt, dass die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) in der Bundestagswahl 2017 in solchen Regionen besonders hohe Ergebnisse erzielt hat, in denen ein Jahr zuvor die Arbeitslosigkeit hoch und der Ausländeranteil gering war. Gleichzeitig stellt die Studie fest: In den Regionen mit AfD-Wahlerfolgen wurden im Jahr der Bundestagswahl im Durchschnitt mehr Hasstaten gegen Geflüchtete angezeigt als in Regionen, in denen die AfD schlechter abgeschnitten hat. Die Studie von Forschern des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld sowie der Universität Münster ist in der Fachzeitschrift „Frontiers in Psychology“ erschienen.
Das Forschungsteam untersuchte regionale Unterschiede im Wahlerfolg der AfD während der Bundestagswahl 2017 und Hasstaten gegen Geflüchtete und Flüchtlingsunterkünfte im selben Jahr. Dazu haben die Wissenschaftler Daten über alle 401 deutschen Kreise und kreisfreien Städte zusammengetragen – zu Kennzahlen wie Arbeitslosenquote, Anteil von Ausländerinnen und Ausländern, AfD-Wahlerfolg und polizeilich registrierter Kriminalität (aus methodischen Gründen mit Ausnahme von Berlin). Diese Kennzahlen setzten sie miteinander in Beziehung.
Mit der Studie sollte untersucht werden, ob bisherige wissenschaftliche Annahmen zum Erfolg von Parteien am rechten Rand zutreffen. Der Sozialpsychologe Dr. Jonas Rees vom IKG hat die Studie federführend geleitet. „Verschiedene Konflikttheorien legen nahe, dass Hassverbrechen in solchen Regionen besonders wahrscheinlich sind, in denen die Arbeitslosigkeit hoch und der Ausländeranteil gering ist, also hohe wirtschaftliche Frustration und geringe Kontaktmöglichkeiten zusammentreffen“, sagt Rees. „Dieselben Faktoren begünstigen aber auch den Wahlerfolg rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien. Unsere Studie weist nun am Beispiel der AfD nach, dass sie tatsächlich besonders dort erfolgreich ist, wo viele Arbeitslose und wenige Ausländerinnen und Ausländer leben – und wo besonders viele Übergriffe gegen Geflüchtete angezeigt worden sind.“
Die Studie stellt auch dar, wie sich Regionen in Ost- und Westdeutschland unterscheiden. „Der Vergleich drängt sich auf, weil es ein massives Gefälle zwischen Osten und Westen gibt – im Wahlerfolg der AfD, aber eben auch in der relativen Häufigkeit von Übergriffen gegen Geflüchtete“, erklärt Professor Dr. Andreas Zick, der das IKG leitet und ebenfalls an der Studie mitgearbeitet hat.
Die Studie auf die Diagnose zu reduzieren, dass es im Osten ein Rassismusproblem gebe, greife aber zu kurz, sagt Zick. „Damit würde man den vielen zivilgesellschaftlichen Bündnissen und Initiativen nicht gerecht, die sich den Rechtspopulisten und Rechtsextremen vor Ort entgegenstellen. Und das wäre außerdem eine grobe Vereinfachung der Ergebnisse.“
Übergriffe gegen Geflüchtete sind laut der Studie in AfD-Hochburgen auch deswegen besonders häufig, weil Hassverbrechen und Wahlverhalten von denselben Bedingungen der jeweiligen Umgebung begünstigt würden. „In betroffenen Umgebungen kann sich durch diese Bedingungen ein feindseliges Klima aus Wut und Hass ergeben“, sagt Rees. Das Zusammenspiel aus Kontext, Einstellungen und tatsächlichem Verhalten in Form von Hassverbrechen und Wahlverhalten sei aber zu komplex für vereinfachte Schlüsse, macht Rees deutlich. Dem Forschungsteam ist wichtig, die Grenzen der Studie zu betonen. „So sind Daten im Zeitvergleich nötig, um zuverlässige Aussagen über Ursache und Wirkung zu treffen.“