06.06.1966

Extrablatt – Bielefeld erhält die Universität

Es wird offiziell: Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen Franz Meyers teilt vor der Presse mit, das Kabinett habe sich für Bielefeld als Sitz der neuen Hochschule entschieden. Nach einem jahrelangen „Standortkrieg“ setzt sich Bielefeld mit dem Standort in Dornberg gegen die weiteren Bewerber Detmold, Herford, Paderborn, Sennestadt und Soest durch.

Titelzeile des Extrablattes des Westfalen-Blattes zur Standortentscheidung, Montag, 6. Juni 1966

mit freundlicher Genehmigung des WESTFALEN-BLATTES

Allerdings ver­dichteten sich bereits im Herbst 1965 die Anzeichen dafür, dass die mit ca. 170.000 Einwohnern größte Stadt Ostwestfalens das Ren­nen um den Standort der Universität machen würde. Mitglieder aller im Landtag vertretenen Parteien hatten sich mehr oder weniger direkt für Bielefeld ausgesprochen, das von der Lan­desregierung in Auftrag gegebene Standortgut­achten befürwortete im August 1965 ebenfalls eindeutig den jetzigen Universitätsstandort Bielefeld-Großdornberg und schließlich machten die Hauptakteure der Universitäts­neugründung, Paul Mikat und Prof. Dr. Helmut Schelsky, aus ihrer Präferenz für Bielefeld keinen Hehl.

Insbesondere in der Stadt Bielefeld formierte sich im Zusammenspiel von regionaler und überre­gionaler Politik, Industrie und Verbänden ein Bündnis für eine Universität in Bielefeld, das – mit guten Argumenten und wirtschaftlicher, politischer und finanzieller Macht ausgestat­tet – den „Standortwettstreit“ mit Herford, Detmold und insbesondere Paderborn für sich entscheiden konnte. Dabei wurden mit­unter auch unkonventionelle Mittel genutzt und unbürokratische Wege eingeschlagen. Um den Jahreswechsel 1965/66 gründete sich die Westfälisch-Lippische Univer­sitätsgesellschaft – Verein der Freunde und Förderer, die zwar offiziell „standortneutral“ auftrat, aber schon durch die Zusammenset­zung ihrer Führungsgremien eine eindeutige Tendenz für Bielefeld erkennen ließ.

„Universität für Ostwestfalen“: Auszug aus der Rede Herbert Hinnendahls (Oberbürgermeister Bielefelds) anlässlich der Feierstunde zur Grundsteinlegung für das Aufbau- und Verfügungszentrum (AVZ) der Universität Bielefeld am 21. Juni 1968.

Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, TDS 6

Bielefeld wird Uni-Stadt

Mit der offiziellen Standortentscheidung ließ sich die Landesregierung allerdings noch etwas Zeit. Erst am Montag, den 6. Juni 1966 gab Ministerpräsident Franz Meyers in einer Pressekonferenz im Bielefelder Ratskeller bekannt, dass die neue Universität in Bielefeld-Großdornberg auf dem Gelände des Voltmannshofes errichtet werden solle. Das Westfalenblatt gab im Anschluss an die nachmittägliche Pressekonferenz ein zweiseitiges, kostenloses Extrablatt heraus, um die Bielefelder Bevölkerung über die positive Standortentscheidung zu informieren.

Im gleichen Artikel wurde ein Luftbild von Bielefeld-Großdornberg gezeigt, bei dem das projektierte Universitätsgelände mit Strichen umrandet war. Links im Bild ist der Voltmannshof zu sehen, der auch heute noch steht und seit 1982 das Internationale Begegnungszentrum der Wissenschaft (IBZ) beherbergt. Im IBZ werden in 21 Gästewohnungen vorrangig Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler der Universität Bielefeld mit ihren Familien untergebracht.

Luftbild Bielefeld-Großdornbergs aus dem Jahre 1966. Nachträglich gestrichelt: Das projektierte Universitätsgelände.

Foto: Günter Rudolf
Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld FOS 01613

Zitterpartie bis zum Grundstückskauf

Spannende Notiz am Rande: Die Landesregierung schien die Entscheidung für Bielefeld-Großdornberg schon Ende 1965 getroffenen zu haben, wie Ministerialdirigent Prof. Dr. Wegner der Gruppe ZD (Bau- und Grundstücksangelegenheiten) im Kultusministerium in einem Schreiben vom 2. Dezember 1965 mitteilte. Die öffentliche Zurückhaltung beruhte vor allem auf dem Versuch, Grundstücksspekulationen zu vermeiden. In einem Vermerk von Eberhard Freiherr von Medem, Beauftragter der Landesregierung für die Organisationsplanung, vom 23. Dezember 1965 wird über den Fortgang der Grundstücksverhandlungen mit den Familien Voltmann und Kleineberg geschrieben. Am 21. April 1966 erreichte Oberstadtdirektor Kuhn als Vertreter der Stadt Bielefeld in den Kaufverhandlungen mit Katharina Voltmann nach langwierigen und diffizilen Verhandlungen schließlich eine Einigung über den Kaufpreis des Geländes des Voltmannshofes und die an den Verkauf geknüpften Bedingungen. Erst nachdem am 16. Mai 1966 diese Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen und amtsgerichtlich dokumentiert waren, konnte im Juni 1966 der Standort Bielefeld-Großdornberg offiziell bestätigt werden.

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