Die beiden internationalen Studentinnen Oleksandra Rudyk und Mehria Niazi hatten nach ihrer Flucht ein gemeinsames Ziel: ein Studium in Deutschland. Durch die studienvorbereitenden Deutschkurse an der Universität Bielefeld wurde dieser Weg möglich. Ihre Erfahrungen zeigen, welche zentrale Rolle Sprachkompetenz für die akademische Integration Geflüchteter spielt.
Oleksandra Rudyk studiert seit dem Sommersemester Germanistik und Anglistik auf Lehramt an der Uni Bielefeld. Sie ist vor drei Jahren wegen des Krieges in der Ukraine nach Deutschland gekommen. „Ich wollte eigentlich nie Deutsch lernen“, sagt sie. „Aber als ich gemerkt habe, dass ich nicht mehr in meine Heimat zurück gehe, habe ich mich entschieden, alles dafür zu machen, um hier zu bleiben.“ In ihrer Heimat hat die 23-Jährige bereits einen Master als Übersetzerin gemacht. Sprachen lagen ihr schon immer. Mit Deutsch musste sie aber ganz von Neuem beginnen. Sie wollte den Deutschkurs in erster Linie machen, um gute Arbeit zu finden. „Mir war vorher gar nicht klar, dass ich hier auch studieren darf“, meint Oleksandra Rudyk. „Über diese Möglichkeit habe ich mich sehr gefreut, da ich sowieso schon immer Lehrerin werden wollte.“

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Mehria Niazi lebt seit zwei Jahren in Deutschland und studiert seit diesem Semester Politikwissenschaft im Master. Sie floh aus Afghanistan. „Ich wollte meine Heimat niemals freiwillig verlassen“, sagt sie. „Afghanistan braucht junge Menschen und ich wäre gerne da geblieben, aber leider war ich gezwungen auszureisen.“ Als sie nach Deutschland kam, hatte sie keinerlei Deutschkenntnisse und musste bei null anfangen. „Meine Muttersprache ist Dari-Persisch. In der Schule habe ich Englisch und Arabisch gelernt“, erzählt sie. „Es fiel mir anfangs sehr schwer Deutsch zu lernen, weil Deutsch im Gegensatz zu meiner Muttersprache eine geschlechtsbezogene und -basierte Sprache ist.“ Die heute 24-Jährige fand aber eine Methode, die neue Sprache mit den verschiedenen Artikeln und Endungen zu verstehen. In ihrer Heimat hat sie einen Bachelorabschluss in Politikwissenschaft absolviert. Den Master schließt sie jetzt in Bielefeld an.

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Deutsch ist eine schwierige Sprache
Die beiden Studentinnen wurden im Internet auf das Angebot für studienvorbereitende Deutschkurse der Universität Bielefeld aufmerksam. „Ich habe mich erst zwei Tage vor Bewerbungsschluss beworben“, erinnert sich Oleksandra Rudyk. Anfangs hatte sie Angst, nicht angenommen zu werden. „Man muss sich einfach trauen“, sagt sie. Heute will sie andere ermutigen, auch diesen Schritt zu machen. Auch Mehria Niazi ist zufällig auf die Deutschkurse gestoßen. Sie hat im vergangenen Sommersemester bereits einen Deutschkurs auf dem B2-Niveau an der Universität Bielefeld absolviert und dann im Wintersemester 2024/25 wie Oleksandra Rudyk mit den studienvorbereitenden Deutschkurs auf dem C1-Niveau begonnen.
Der Kurs findet während des Semesters täglich statt. „Das war in der Zeit ein Vollzeitjob“, sagt Oleksandra Rudyk. „Es reicht nicht, nur den Unterricht zu besuchen. Man muss verschiedene Aufgaben erledigen, Vokabeln lernen und ganz viel zu Hause üben.“

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„Deutsch ist eine sehr schwierige Sprache“, sagt Mehria Niazi. „Die deutsche Grammatik fiel mir am Anfang sehr schwer.“ Sie hat hart gearbeitet und viel gelernt. In ihrer Freizeit hat sie außerdem viele Podcasts auf Deutsch gehört, wissenschaftliche Texte gelesen und viel Sprachpraxis geübt, auch unterstützt durch ChatGPT.
Brücke zum Studium in Deutschland
„Ich habe das Kursangebot als Chance für mich gesehen“, sagt Mehria Niazi. „Der Kurs baut eine Brücke zum Studium, aber auch zu der deutschen Kultur.“ Oleksandra Rudyk ergänzt: „Das war ein guter Start ins Studienleben und sehr hilfreich, die Uni kennenzulernen – ein bisschen wie eine Demo-Version des Studiums.“ Der Deutschkurs bereitet die Teilnehmenden auf ein späteres Studium auf Deutsch vor. „Wir haben viele wissenschaftliche Texte gelesen und geschrieben, Präsentationen gehalten und argumentiert“, erinnert sich Mehria Niazi.
Mehria Niazi und Oleksandra Rudyk haben während des Deutschkurses den starken Gruppenzusammenhalt genossen: „Wir waren eine internationale Gruppe aus verschiedenen Kulturen, aber mit dem gleichen Ziel“, sagt Mehria Niazi. Oleksandra Rudyk ergänzt: „Es war toll in der Gruppe zu arbeiten, weil alle freiwillig da waren und dadurch war die Motivation, die Ziele zu erreichen, sehr hoch.“ Neben dem Lernen gab es gemeinsame Entspannungs- und Yogarunden. Außerdem war die Gruppe gemeinsam auf dem Weihnachtsmarkt.
Das International Office versucht durch Beratungsveranstaltungen und weitere Angebote innerhalb des Orientierungsprogramms den Weg ins Studium erleichtern. Sie integrieren diese Angebote schon während der Studienvorbereitung, um Hürden und Hemmungen der Studierenden mit Fluchthintergrund abzubauen.
Vor der Abschlussprüfung waren alle aufgeregt. „Die TestDaF-Prüfung war digital und ging etwa fünf Stunden“, erinnert sich Oleksandra Rudyk. Die Universität richtet die offizielle TestDaF-Prüfung des Test DaF-Instituts aus. Es gab Sprech-, Schreib-, Hör- und Leseaufgaben. „Ich war nach der Prüfung sehr aufgeregt, ob ich bestanden hatte, weil ich unbedingt studieren wollte“, meint Oleksandra Rudyk. Den Test hat sie nach einem Semester mit Bestnoten bestanden.
Finanzierung des Studiums
Während einer Infoveranstaltung zur Studiumsfinanzierung zum Ende des Kurses stieß Oleksandra Rudyk auf das NRWege Stipendienprogramm. „Ich habe mich direkt beworben und nach einiger Wartezeit die Zusage bekommen“, sagt sie. Seit Beginn des Studiums wird sie gefördert. Das Stipendium ist eine weitere Komponente des NRWege ins Studium Programms und unterstützt Studierende mit Fluchthintergrund bei der Finanzierung ihres Studiums, wenn sie sonst keine Finanzierungsmöglichkeiten haben. Mehria Niazi finanziert ihr Studium mit BAföG. Die beiden Studentinnen sind sehr ehrgeizig und zuversichtlich, ihr Studium an der Universität Bielefeld erfolgreich zu absolvieren. Ohne die studienvorbereitenden Deutschkurse wäre ihr Studienbeginn wahrscheinlich nicht möglich gewesen.